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Dieter Bogner


Ton-Raum-Lebensraum
Bernhard Leitners Installation im Kunstraum Buchberg


Flattertöne, perkussive Klänge und zarte splitterige Tonelemente nimmt der Besucher als nicht sichtbaren sondern ausschließlich akustisch wahrnehmbaren Abschluss des oberen Hofes in Schloss Buchberg wahr. Einem fein gesponnenen Velum vergleichbar spannt sich ein zartes Tongeflecht zwischen Hofraum und Himmel. Die massive Materialität der auf das Mittelalter zurückgehenden Bausubstanz und die Immaterialität des Klangphänomens gehen eine Symbiose ein. Bernhard Leitner hat für Buchberg Ton-Räume mit unterschiedlichem Charakter entwickelt. Er lässt einen Cello-Ton in einer kreisförmigen Bewegung von oben nach unten durch den Raum rollen; er erweckt den Eindruck, dass Töne aus den Poren der Mauern zu dringen scheinen und sich Atembewegungen gleich im Hof ausdehnen und wieder zurückziehen.
 
Zu diesen pulsierenden künstlichen Tonphänomenen gesellen sich vielfältige Naturgeräusche: erschreckt auffliegende Vögel, das Plätschern des Brunnens, schlagende Fensterflügel, in den Hof eindringende Windböen und nicht zuletzt die Geräusche der Bewohner. Die besondere akustische Qualität des Schlosshofes bringt ein durch Zufälle bestimmtes kontrakpunktisches Spiel zwischen natürlichen und künstlichen Phänomenen zur Entfaltung. Das Fehlen einer permanenten Geräuschkulisse, wie sie für das städtische Umfeld charakteristisch ist, lässt jeden Ton und jedes Geräusch - ob leise oder laut - klar und deutlich in Erscheinung treten und als autonomes Element im Gesamtkontext wirksam werden. Diese Qualität fördert eine gespannte und konzentrierte Aufmerksamkeit des Besuchers, ein Fokussieren der Sinne auf die raumschaffende Wirkung akustischer Bewegungsphänomene. Die Möglichkeit einer solchen Konzentration und Schärfung des Hörsinns ist selten in einer durch eine permanente Ton- und Geräuschkulisse bestimmten Welt. Durch diese Herausforderung an die akustische Raumwahrnehmung erweitert Bernhard Leitner das Erleben der gebauten „Architektur“ um eine neue Dimension.
 
Im Unterschied zu den autonomen Kunsträumen, die in verschiedenen Trakten des Schlosses integriert sind und deren Betreten ausschließlich der Kunstrezeption dient, ist der Ton-Raum Teil des Lebensraumes der Bewohner und verändert deren Erfahrungswelt. So bietet die Verfügbarkeit unterschiedlicher Ton-Raum-Phänomene eine durch Tages- und Jahreszeiten, durch Stimmungen oder Zufall bestimmte Wahlmöglichkeit. Spannend ist aber auch die Reaktion von Besuchern des Schlosses, die in einem schrittweisen Prozess von einer ersten Wahrnehmung befremdlicher Töne, über die Verortung deren Quelle bis zum Erkennen der ungewohnten akustischen Erfahrung als formbildendes Phänomen führt.
 
Die Installation im Buchberger Schlosshof ist in zwei Phasen entstanden. In einer ersten Ausbaustufe installierte Bernhard Leitner 1991 vier Lautsprecher in der Höhe des Dachbodens, sodass sie im verzogenen Rechteck des Grundrisses ein Quadrat ergeben.  Sieben Jahre später, 1998, erweiterte er die Installation um eine in den Boden des Hofes eingelassene fünfte Tonquelle. Dadurch baute er die Möglichkeit zur Schaffung vertikal ausgerichteter Tonarchitekturen wesentlich aus. Die Besucher bewegen sich nun durch zwei ineinander verschachtelte Räume, deren Form und Rezeptionsweise sich grundsätzlich voneinander unterscheiden und die doch ein untrennbares Ganzes bilden: durch einen gebauten statischen Raum und einen akustischen dynamischen Raum.

Bernhard Leitner nutzt den Ton-Raum Buchberg als Labor. Von Zeit zu Zeit richtet er sich im Hof einen Arbeitplatz ein und experimentiert mit neuen Tönen und entwickelt immer wieder überraschende Ton-Raumkonfiguration.